PSSM 1 bei Pferden
HINWEIS: Bei PSSM handelt es sich um eine verhältnismäßig neue Krankheit, die noch weiter erforscht werden muss. Alle Informationen beziehen sich auf den derzeitigen Wissensstand.
Was ist PSSM und welche Formen gibt es?
PSSM (Polysaccharid-Speicher-Myopathie) ist eine Muskelerkrankung beim Pferd, welche in die Varianten PSSM 1 und PSSM 2 unterschieden wird. Betroffen von PSSM 1 sind stark bemuskelte Rassen, wie zum Beispiel Quarter Horses, Kaltblüter und schwere Warmblüter. PSSM 2 kann hingegen jedes Pferd treffen. Die Krankheit ist nicht heilbar. Mit einer angepassten Haltung und Fütterung kann man die Symptome aber teilweise oder sogar vollständig lindern.
Welche Ursachen hat PSSM und wie wird es ausgelöst?
PSSM 1 wird durch eine Genmutation des Gens GYS1 ausgelöst und autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass die Genmutation zu 100% an die Folgegeneration weitergegeben wird, wenn beide Eltern Träger sind und zu 50%, wenn nur einer Träger ist. Träger der Genmutation bedeutet jedoch nicht, dass das Pferd auch an PSSM erkranken wird. Untersuchungen zeigten, dass nur bei ca. 50% der Träger auch die Krankheit ausbrechen wird. Da noch nicht alle Zuchtverbände eine Testpflicht vorschreiben und auch einige privat züchten, wird immer wieder mit Pferden gezüchtet, die diese unentdeckt in sich tragen und an die Folgegenerationen weitergeben. Wenn ein Test verpflichtend ist und dieser positiv ausfällt, wird das Pferd nicht für die Zucht zugelassen. Die Ursachen für PSSM 2 sind noch nicht geklärt, aktuell geht man aber auch bei dieser Variante von einer Genmutation aus.
Was macht das Gen GYS1 und was funktioniert bei der Genmutation nicht?
Das Gen GYS1 ist für die Codierung des Enzyms zuständig, das den Zucker in den Muskeln in Glykogen umwandelt. Um genau verstehen zu können, was nicht richtig funktioniert, muss man sich zunächst den Muskelenergiestoffwechsel eines gesunden Pferdes anschauen:
Die im Futter enthaltenen Kohlenhydrate werden im Dünndarm zu Glukose aufgespalten. Ein großer Teil wird für die Verdauung und von Gehirn- und Nervenzellen schnell wieder verbraucht. Der Rest gelangt ins Blut, wodurch der Blutzuckerspiegel ansteigt. Die Bauchspeicheldrüse schüttet infolgedessen Insulin aus, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Das Insulin koppelt sich an die Rezeptoren der Muskelzellen an, welche den Zucker aus dem Blut aufnehmen und die Glukose in das Polysaccharid Glykogen umwandeln. Dadurch können die Muskeln die Energie speichern, bis sie benötigt wird. Unter Belastung wird das Glykogen wieder zu Zucker zerlegt, mit Hilfe von Sauerstoff als Kohlendioxid und Sauerstoff abgebaut und die Muskeln mit der benötigten Energie versorgt.
Bei Pferden mit PSSM liegt eine Mutation des Gens GYS1 vor. Das bedeutet, dass die Codierung des Enzyms nicht richtig funktioniert und die Muskelzellen deutlich empfindlicher auf das Insulin reagieren. Dadurch wird 2-4-Mal mehr Glykogen in den Muskeln gespeichert, welches das Pferd gar nicht verwerten und irgendwann auch nicht mehr speichern kann. Über das Futter gelangt aber immer wieder neuer Zucker in das Pferd, welcher bei mangelnder Speicherkapazität zu Stärke umgewandelt wird und nicht mehr als Energiequelle genutzt werden kann. Der Energieüberschuss entwickelt sich zu einem Energiemangel, der die Muskeln schädigt und im weiteren Verlauf unwiderruflich zerstören kann.
Welche Symptome treten bei PSSM 1 auf?
Die Symptome treten in Schüben auf und sind abhängig vom Schweregrad der Krankheit und ähneln insbesondere anfangs den Symptomen eines Kreuzverschlages oder einer Kolik. Zu Beginn werden Taktunreinheiten, leichte Lahmheiten und fehlende Losgelassenheit beobachtet. Fallen starkes Schwitzen nach wenigen Minuten Arbeit, Unruhe, Angst, verkrampfte Muskeln und eine erhöhte Herz- und Atemfrequenz auf, sollte das Training schnellstmöglich beendet und weitere Bewegung vermieden werden. Da einige Pferde anfangen sich zu wälzen, wird ein Schub oftmals mit einer Kolik verwechselt und das Pferd weiterhin im Schritt geführt. Dies führt aber zu einer Verschlimmerung der Symptome. Im weiteren Verlauf kann es zu massivem Schweißverlust, Muskelzittern, Einfallen der Hinterhand, Festliegen, Verkrampfungen des Bauches und der Kruppe sowie Absetzen von dunklem Harn kommen. Dunkelgefärbter Harn entsteht durch die Freisetzung des Muskelfarbstoffes Myoglobin, wenn die Muskelfasern massiv beschädigt werden.
Mit der Zeit verliert das Pferd an Gewicht und möchte sich immer weniger bewegen. Weiß der Besitzer nichts von der Krankheit, wird dem Pferd meistens mehr Kraftfutter zum Auffüttern gegeben, was die Symptome weiter verschlimmert.
Woher weiß ich, ob mein Pferd PSSM 1 hat?
Falls der Verdacht auf PSSM besteht, sollte unbedingt ein Tierarzt kontaktiert werden. Es gibt insgesamt drei Möglichkeiten, um auf PSSM 1 zu testen.
- Gentest: Für den Gentest wird entweder eine Blut- oder Haarprobe im Labor untersucht. Aktuell gibt es nur ein einziges Labor in Europa, das diesen Test durchführt.
- Muskelbiopsie: Für die Muskelbiopsie wird unter Sedierung im Stehen eine tiefe Gewebsprobe entnommen und im Labor untersucht. Die Muskelbiopsie liefert den zuverlässigsten Nachweis einer PSSM-Erkrankung, da von anderen Muskelerkrankungen wie Kreuzverschlag oder Shivering unterschieden werden kann.
- Blutabnahme/ Blutbild während eines akuten Schubes: Dieses Testverfahren gilt als unsicherster Nachweis, da die Ergebnisse durch Aufregung vom Pferd schnell verfälscht werden können. Im Labor werden die Enzyme Creatinkinase und Aspartattransaminase im Blut gemessen. Erhöhte Werte sprechen für eine Erkrankung der Muskeln. Diese können aber auch bei einem akuten Kreuzverschlag oder durch Aufregung beim Blutabnehmen erhöht sein.
Wie passe ich die Haltung und Fütterung bei PSSM 1 an?
Pferde, bei denen PSSM 1 diagnostiziert wurde, sollten eine lebenslange Diät machen. Das bedeutet, dass nicht benötigtes Kraftfutter durch ausreichend Heu ersetzt werden sollte. Silage ist auf Grund des sauren pH-Wertes nicht geeignet. Damit dein Pferd nicht vor einem leeren Trog steht, können Heucobs gefüttert werden. Falls Kraftfutter benötigt wird, sollte ausschließlich zucker- und stärkereduziertes Futter gegeben werden. Bei höherem Energiebedarf können Öle genutzt werden. Empfehlenswert ist Leinöl. Vitamin E und Selen können als Antioxidans wirken und die Regeneration der Muskeln unterstützen. Vitamin B und Magnesium fördern ein starkes Nervenkostüm, wodurch das Pferd entspannter wird. Bei starkem Schweißverlust ist außerdem die Gabe von Elektrolyten empfehlenswert. Auf Leckerlies und Saftfutter sollte verzichtet werden. Futterumstellungen sollten insbesondere bei Pferden mit PSSM langsam erfolgen.
Achtet bei der Haltung auf ein geringes Stresslevel, ausreichend Beschäftigung sowie freie Bewegung. Pferde, die PSSM haben, können und sollten weiterhin kontrolliert bewegt werden. Das Training hilft dabei, überschüssiges Glykogen in den Muskeln abzubauen, ist aber an den allgemeinen Gesundheitszustand des Pferdes anzupassen.
Foto: FastHorsePhotography